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Israelsbrünnlein

Den Werken unseres diesjährigen Sommerprogramms liegen Vertonungen von Texten aus dem Alten Testament verschiedener Epochen zugrunde, wodurch die Stückauswahl neben vielfältiger Stilistik auch eine thematische Geschlossenheit bietet.

Im Zentrum des Programms steht mit dem Israelsbrünnlein von Johann Hermann Schein ein Hauptwerk der frühbarocken deutschen Chormusik. 1623 komponiert, vereinigt Schein – ähnlich seinem Zeitgenossen und Freund Heinrich Schütz – in dieser Sammlung den deutschniederländischen Motettenstil mit italienischen Madrigalen im Stile Monteverdis. Die zugrundeliegenden Texte entstammen vorwiegend den Psalmen und den Sprüchen Salomos, weshalb die Werke häufig als Geistliche Madrigale bezeichnet werden. Besonders auffällig ist neben der ausdrucksstarken Tonsprache vor allem die präzise Vertonung einzelner Textstellen, die neben allegorischen Elementen teilweise auch praktische Ratschläge enthalten. Schein vertont diese geradezu radikal, ohne schroffe Klänge und expressive Harmonien durch übermäßige Akkorde oder Tritoni, zu scheuen.

Dem Israelsbrünnlein zur Seite gestellt wird der berühmte doppelchörige Satz Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn von Johann Sebastian Bach, der knapp einhundert Jahre nach Schein ebenfalls Thomaskantor war. Sein vermutlich 1712 komponiertes Werk mit einem Text aus der Genesis ist in der Tradition der Evangelienmotette verfasst, beruft sich also auf den durch Komponisten wie Schütz und Schein geprägten Motettenstil des frühen 17. Jahrhunderts.

Dem gleichen Genre sind die Drei Motetten op. 110 von Johannes Brahms zuzuordnen. Auch sie sind für Doppelchor geschrieben und stellen einen der bedeutendsten Vertreter dieser Gattung in der Romantik dar. Die Zuwendung zum alten Stil wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass Brahms sich in der ersten Motette Ich aber bin elend ebenfalls auf Textstellen aus den Büchern Mose und den Psalmen beruft. Dazu passen auch die beiden in Motettenform komponierten Psalmvertonungen op. 10 und 29, deren zweiter der Text Schaffe in mir, Gott, ein rein Herz zugrunde liegt.

Abgerundet wird das Programm durch im 20. Jahrhundert komponierte Vertonungen alttestamentarischer Texte aus der Feder Heinrich Kaminskis. Dessen Chorfuge Alle Menschen müssen sterben ist ein vergleichsweise unbekanntes geistliches A-capella-Werk, das den düsteren Text durch eine verschlungene Stimmführung voller ausdruckstarker Harmonik untermalt. Die Stilistik und der Text bezeugen eindrücklich die Beschäftigung Kaminskis mit der alten Musik, die auch in seiner Vertonung des 130. Psalms zum Ausdruck kommt. Diese wesentlich bekanntere erste Komposition bezeugt eindrucksvoll die Kraft und Ausdrucksstärke des jungen Komponisten und besteht aus drei Teilen, die jeweils durch einen eigenen Charakter geprägt sind. Auf den verzweifelt flehenden Gestus des ersten Satzes („Aus der Tiefe rufe ich“) folgt mit dem deutlich kürzeren zweiten Satz („Ich harre auf den Herren“) nicht zuletzt durch das Sopran Solo ein versöhnlicher Einschub, bevor das Werk im letzten Teil („Israel hoffe auf den Herrn“) zunächst wieder dramatisch exklamatorisch beginnt, um schließlich mit dem überzeugenden Ausruf („und er wird Israel erlösen von allen Sünden“) zu enden.

Zwischen den Chorstücken erklingen Kompositionen zweier berühmter italienischer Lautenisten: Lorenzo Tracetti (~1548-1592), genannt Lorenzino, und Johannes H. Kapsberger (~1580-1651). Letzterer trug den Beinamen „Tedesco della Tiorba“, der neben seiner deutschen Abstammung vor allem seine Virtuosität auf der kurz zuvor entwickelten Theorbe zum Ausdruck bringt. Bei diesem Lauteninstrument lassen sich durch zusätzliche Basssaiten an einem verlängerten Hals auch tiefere Register anstimmen. Hierdurch eignet sich die Theorbe auch hervorragend zur Begleitung von Vokalmusik als Basso-continuoInstrument.